Dienstag, 14. Mai 2013

Die Memoiren des Gehirns

Lesen Sie diesen Artikel aufmerksam. Wenn Sie sich morgen noch an ihn erinnern können, so liegt dies daran, dass ihr Gehirn durch die Lektüre dieses Artikels neue neuronale Vernetzungen gebildet hat. Dieser Umstand kann zu enormen Veränderungen in ihrem Gehirn führen, das nunmal kein unveränderlicher Klumpatsch ist, sondern einem ständigen Wandel unterliegt.


Diese sogenannte Plastizität des menschlichen Gehirns ist auch der Grund dafür, dass jeder von uns ein vollkommen einzigartiges Gehirn hat. Jeder Einzelne hat im Laufe seines Lebens etwas anderes gelernt und ganz unterschiedliche Erfahrungen gesammelt. Einer der bedeutensten Hirnforscher unserer Zeit, der Nobelpreisträger Eric Kandel, beschäftigt sich seit mittlerweile 50 Jahren mit den Lernprozessen unseres Gehirns und dem menschlichen Gedächnis. Kandel legte mit seiner Arbeit die die entscheidenden Grundsteine für die moderne Gedächnisforschung.

Das Gedächnis hält unser gesamtes geistiges Leben zusammen und verleiht unserem Leben nicht nur die so dringend benötigte Kontinuität, sondern auch unsere gesamte Persönlichkeit des heutigen Tages. Ohne die Zeitreisen in unsere ganz individuelle Vergangenheit, die uns unser Gedächnis ermöglicht, wären wir uns unserer persönlichen Geschichte überhaupt nicht bewusst. Letztlich sind wir, wer wir sind, aufgrund dessen, woran wir uns erinnern können.

Eric Kandels Buch "Auf der Suche nach dem Gedächnis - Die Entstehung einer neuen Wissenschaft des Geistes", in dem sich der Gedächnisforscher an sein eigenes Leben erinnert, ist mehr als eine bloße Autobiographie und auch literarisch überaus empfehlenswert.

Als Kind floh Eric Kandel im Jahre 1939 vor den Nationalsozialisten aus Wien nach New York. Mit einem großen erzählerischen Schwung schildert Kandel, wie ihn seine persönliche Suche nach der Erinnerung dazu brachte, sich erst der Geschichte, dann der Psychoanalyse und schließlich der neurobiologischen Forschung zuzuwenden, um eine neue Wissenschaft des menschlichen Geistes zu begründen. So erhebt Kandel die Gedächnisforschung zu einer ganz entscheidenden Schlüsseldisziplin des 21. Jahrhunderts.

Zwei Tage nach Eric Kandels neuntem Geburtstag bricht die Gewalt in sein Leben ein. Die Wohnung der Kandels wird von den Nationalsozialisten geplündert, die jüdische Familie muss fliehen. Gemeinsam mit seinem Bruder trifft er 1939 in New York ein, erst Monate später gelingt es den Eltern nachzukommen. Aus dem Versuch zu begreifen, was ihm widerfahren ist, erwächst bei Kandel eine Faszination für die Vergangenheit, für das Erinnern und das Vergessen. Dies führt ihn zunächst zum Studium der Geschichte und Literatur. Doch das Wien, das ihn nicht loslässt, die Stadt Schnitzlers und Musils, ist auch die Sigmund Freuds. Bei seiner Auseinandersetzung mit der Psychoanalyse stößt Kandel jedoch rasch an die Grenzen dieses Fachs. Er wendet sich daher der biologischen Forschung zu. Es geht ihm um die wissenschaftliche Erklärung dessen, was Freud über psychische Prozesse, das Bewusste und das Unbewusste gesagt hat.

Indem Kandel sein Leben Revue passieren lässt und seine Entwicklung als Forscher erzählt, beschreibt er, wie sich die moderne, neurobiologisch fundierte Wissenschaft des menschlichen Geistes entwickelt hat. Sein Buch ist eine Autobiographie auf höchstem literarischem Niveau, geschrieben von einem analytischen Meisterdenker und getragen von großer politischer und menschlicher Weitsicht.


 

Pressestimmen

"'Auf der Suche nach dem Gedächtnis' ist nicht bloß die Autobiographie eines Hirnforschers, es ist auch die Autobiographie einer Wissenschaft. Die Entwicklung der letzten 70 Jahre Hirnforschung werden so gut erzählt, wie es im biographischen Genre nur sein kann: zupackend, leidenschaftlich, mit Insiderinformationen, sorgfältig im Detail [...] ein faszinierender Einblick in eine bewundernswürdige Lebensleistung." (Süddeutsche Zeitung)

"Kandels auch stilistisch mitreißend vorgetragenen Erinnerungen bewegen deshalb so sehr, weil sie die eigene Historie im Guten wie im Schlechten unauflösbar in der Zeitgeschichte verorten. Alles fügt sich zu einer großen Erzählung im Medium des Gedächtnisses." (Literarische Welt)

"Kandel beschreibt hundert Jahre Gehirnforschung als intellektuellen Krimi. So kritisierbar es ist, wenn geisteswissenschaftliche Theoreme in der Kategoriensprache der Naturwissenschaft abgehandelt werden […], so fragwürdig sind auch die Abwehrhaltungen oder Ignoranz gegen die Erkenntnisse der Neurowissenschaften. Gegen beide intellektuellen Pathologien hilft die Beschäftigung mit dem Gegenstand. Eric Kandels Erinnerungen an die Entstehungsgeschichte der Biologie des Geistes ist dafür eine hervorragende Handreichung." (Tagezeitung)

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